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Rudolf Steiner
Geisteswissenschaft als Erkenntnis der Grundimpulse sozialer Gestaltung
GA 199 - Vortrag Dornach am 15. Aug. 1920:
S. 88: .....sächlichkeit hineinfinden müssen, daß alles Haftenwollen am Alten verderblich ist, daß nur ein gründliches Schöpfen aus den Quellen, die durch die Geisteswissenschaft wieder eröffnet werden, zum Ziele führen kann.Es ist merkwürdig, wie das, was einen gewissen Anblick gewährt jenseits der Schwelle, in den geistigen Welten, heute seine Schatten hereinwirft in diese so urmaterialistische Zeit. Man wurde ausgelacht vor zwei, drei Jahren, wenn man über die Impulse gesprochen hat, welche von gewissen Geheimgesellschaften des Westens und anderer Erdengebiete die öffentlichen Angelegenheiten bedingen. Über diese Dinge habe ich hier eine ganze Reihe von Vorträgen gehalten, und einer Reihe von Ihnen wird der Inhalt dieser Vorträge ja auf die eine oder andere Weise bekanntgeworden sein. Aber man wurde mehr oder weniger ausgelacht, wenn man davon sprach, daß die öffentlichen Angelegenheiten von Kräften durchsetzt sind, deren Ursprung man findet, wenn man hineinleuchtet in gewisse Geheimgesellschaften, die Traditionen alter Initiationsweisheit haben und sie in falscher Richtung anwenden. Heute, in verhältnismäßig kurzer Zeit, ist das anders geworden. Die nüchterne englische Presse, die sich wahrhaftig zu besonderen Sprüngen nicht herbeiläßt, bringt jetzt wochenlang Artikel über das Bestehen von Geheimgesellschaften; und wenn auch diese Artikel von Ausgangspunkten handeln, die nichts anderes sind als eine aufgelegte Jesuitenmache, so muß man immerhin sagen: Wenn auch die Leute den Wind aus einer ganz falschen Ecke heraus spüren, man sieht heute schon auf so etwas hin. Und was wochenlang besprochen wird, was, ich möchte sagen, mit philologischer Genauigkeit besprochen wird, das weist darauf hin, wie gründlich sich in dieser Beziehung die Welt seit ein paar Jahren gewandelt hat. Nur übersehen es die Leute leicht, wenn selbst, wie gesagt, in den nüchternen englischen Zeitungen heute Zusammenstellungen gebracht werden wie diese, daß 1897 etwas vor die Welt trat wie eine Beschreibung künftiger Ereignisse. Man bringt das heute, indem man es auf der linken Seite in Spalten aufschreibt und auf der rechten Seite die Programme der Bolschewisten bringt und dasjenige, was jetzt geschieht. Was 1897 bereits bekannt war, es geschieht heute, und man kann es philologisch nachweisen, daß das heute Geschehende mit dem Früheren stimmt. Natürlich weisen die Leute, ohne daß sie irgendeine Kenntnis von den tie-
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feren Zusammenhängen haben, journalistisch auf diese Dinge hin. Natürlich spüren heute noch die wenigsten, um was es sich handelt bei solchen Dingen, daß es sich darum handelt, daß Leute, die tief im Hintergrunde der Erscheinungen stehen, aber deshalb doch die Fäden der Erscheinungen stramm in der Hand halten, unbekannt bleiben möchten und daher ihre Spuren auf andere überführen. Das ganze ist eine Mache, was da gedruckt wird, aber es ist eine wohlberechnete Mache, wenn man auf die Ursprünge zurücksieht, denn sie ist darauf berechnet, andere anzuschuldigen, damit die Menschheit nicht an diejenigen denke, die wirklich die Fäden in der Hand haben. Wie gesagt, es ist heute schon so, daß man die Verantwortung empfinden muß, hinzuschauen auf das, was sich eigentlich zuträgt.
Ich habe zu manchem 1914 gesagt: Die Geschichte jener Kriegskatastrophe, die 1914 begonnen hat, darf nicht so geschrieben werden, wie frühere Dinge geschrieben wurden, einfach aus den Archiven heraus. Wenn man wirklich einsehen will, was 1914 begonnen hat, dann muß man zu okkulter Denkweise übergehen, dann muß man sich klar sein, daß wichtigste Persönlichkeiten, die über die ganze zivilisierte Welt hinan der Herbeiführung der Katastrophe beteiligt waren, umnebelt, im Bewusstsein getrübt waren. Diejenigen Momente aber, wo die Menschen im Bewußtsein getrübt werden, das sind die Tore, durch die die ahrimanischen Mächte lenkend und leitend in die Welt hereinkommen. Wenn jemand an einem wichtigen Posten sitzt und in einem wichtigen Momente in seinem Bewußtsein getrübt wird, dann regiert nicht mehr er, dann regiert durch ihn Ahriman. Es regieren geistige Mächte in die Welt herein, solche wie ich jetzt meine, in diesem Falle ahrimanischer Art. Nur wenn man diese Zusammenhänge auf geisteswissenschaftliche Art verfolgen will, kann man die Ereignisse der letzten Jahre verstehen; und immer weniger und weniger wird es möglich sein, das, was über die zivilisierte Welt hin geschieht, zu verstehen, wenn man es nicht von geisteswissenschaftlichen Grundlagen aus verstehen will; man wird lange diskutieren können, ob der oder jener dies oder jenes gesagt hat vor drei oder vier oder mehr Jahren, oder es heute sagt. Viel wichtiger ist es heute, sich Menschenkenntnis anzueignen, so daß man weiß, wie gesund oder ungesund der oder jener an jener Stelle war oder ist, denn
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S. 160: ........sich Plate benommen hat. Mich wundert, daß die Studenten in Jena nicht reagiert haben. Das wäre eine wirklich gute Tat, wenn sie Plate herausgraulen könnten ...>»
So schreiben die Professoren, die «Herren Kollegen», die furchtbar bedauern, daß die Studenten den Plate nicht hinausgegrault haben. Die Herren Kollegen aber, die so schreiben — selbstverständlich in Privatbriefen —, haben es wohl vermieden, unfreundlich zu sein mit Herrn Plate, wenn er ins Kolleg gekommen ist.
«Heinrich Heine sagt einmal, Lessings Gegner wurden dadurch, daß sie mit ihm in Verbindung gebracht waren, vor dem spurlosen Verschwinden bewahrt, wie das Insekt im Bernstein. Es wäre unhöflich, diesen Vergleich auf Lebende anzuwenden, so gut er auch in eine naturwissenschaftliche Atmosphäre paßt. Wir begnügen uns deshalb mit der Bemerkung Heilborns, daß von Plates Namen und Werk nichts übrig bleiben wird, als die dunkle Erinnerung an das Martyrium, das er Haeckel bereitet hat.»
Man könnte sehr viel ähnliche Beispiele anführen für die Gelehrten-Moral, für die Moral unserer Intelligenz der Gegenwart; denn was dadurch zutage tritt, das ist, daß wir es heute nicht zu tun haben etwa bloß mit dem Kampf dieser oder jener Weltanschauung gegen die andere Weltanschauung; wir haben es zu tun heute mit dem Kampf der Wahrheit gegen die Lüge, und die Lüge ist es, die ihre Waffen gegen die Wahrheit richtet. Und wichtiger als alles Streiten um sonstige Begriffe ist heute der Kampf der Wahrheit gegen die Verlogenheit, die immer weiter und weiter die Menschen ergreift.
Man hat es vielleicht übertrieben gehalten, als ich gelegentlich eines Vortrages neulich sagte: Die Menschen in Europa schlafen. Sie werden bitter erfahren — ich sagte es aus einem andern Zusammenhange heraus —, sie werden bitter erfahren müssen, wie dasjenige, was sich als äußerster Ausläufer der westeuropäischen Weltanschauung im Bolschewismus über ganz Asien verbreitet, etwas ist, was von Asien, von diesenMenschen Asiens aufgenommen wird mit derselben Inbrunst, mit der sie einstmals ihr heiliges Brahman aufgenommen haben. — Das wird es nämlich, und die moderne Zivilisation wird sich bekannt machen müssen damit. Und man empfindet den tiefsten Schmerz, wenn man in Europa
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die schlafenden Seelen sieht, die so gar nicht dazu kommen, sich diesen Ernst, um den es sich heute handelt, wirklich vor die Seele zu rufen. Ein paar Tage, nachdem ich dieses hier ausgesprochen hatte, fand ich die folgende Nachricht: „Vor einigen Tagen hatte ich Gelegenheit, bei einem Vertreter der Sowjet-Republik eine 10 000-Rubelnote zu sehen. Was mich in Erstaunen setzte, war nicht die Höhe der Rubelnote; — was mir an jenem 10000-Rubelschein auffiel, war vielmehr ein in der Mitte des Papiers fein und deutlich herausgearbeitetes Hakenkreuz, Svastika.” Jenes Zeichen, zu dem einstmals der Inder oder der alte Ägypter hingeblickt hat, wenn er von seinem heiligen Brahman sprach, er erblickt es heute auf der Zehntausend-Rubelnote! Man weiß da, wo große Politik gemacht wird, wie man auf Menschenseelen wirkt. Man weiß, was der Siegeszug des Hakenkreuzes, Svastika, das eine große Anzahl von Menschen in Mitteleuropa bereits trägt — wiederum aus anderen Untergründen heraus -, man weiß was dieses bedeutet, aber man will nicht hinhorchen auf dasjenige, was aus den wichtigsten Symptomen heraus die Geheimnisse des heutigen geschichtlichen Werdens deuten will.
Diese Deutung kann aber nur erfolgen aus dem, was geisteswissenschaftlich zutage treten kann. Man muß den Blick hinwerfen auf dasjenige, was gegenwärtig ist. Man muß den Blick hinwerfen auf die Verwüstungstendenz gegenüber dem alten Geistesleben, das verwandeln will selbst den Rest dieses alten Geisteslebens in Beamtenschulen und -maschinerien, das zu einer solchen moralischen Tiefe heruntergesunken ist, wie ich es Ihnen in bezug auf Herrn Plate mitgeteilt habe, der der unmittelbare Schüler Haeckels ist, der Lieblingsschüler des seelisch so guten Haeckels. Das hat nicht Haeckel gemacht, das macht die ahrimanisch-materialistische Kultur. In dieser Zeit — in der man aber weiß, da, wo man bewußt zu Werke geht, wie man wirken muß —, in dieser Zeit sollte man zurückdenken an solche Geister, wie es der hundert-fünfzig Jahre vorher in Stuttgart geborene Hegel ist, der in innerem seelisch-geistigem Kampfe den ahrimanischen Mächten diejenigen Begriffe und Ideen abgerungen hat, die man braucht, um innerliche geistige Festigkeit genug zu haben, die Leiter hinauf in die geistige Welt zu gehen, der aber auch noch manches andere bietet an innerer Geistesdiszi-
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S. 248: Der Materialismus glaubt, wir haben die Intelligenz daher, weil — nun ja, nicht wahr, da unten, da geschehen diejenigen Prozesse, welche in der Leber, im Herzen wirken, dann verfeinern sie sich, bilden die Prozesse im Gehirn drinnen. Diese Prozesse im Gehirn, das sind bloß ein bißchen andere als diejenigen, die sich in der Leber oder im Magen abspielen, aber diese selben Prozesse, die bewirken das Denken. Wir wissen, es ist nicht so. Diese Prozesse, die sich im Gehirn so abspielen wie die Prozesse, die sich in der Leber oder in dem Magen abspielen, würden gar kein Denken bewirken, sondern da oben geschieht etwas, und fortwährend bilden sich aus den Aufbauprozessen Zerstörungsprozesse heraus. Hier oben wird nicht nur aufgebaut, sondern abgebaut. Hier oben fällt immerfort Materie heraus ins Nichts, so daß wir es nicht zu tun haben mit einem Aufbau im Gehirn. Dieser Aufbau ist nur zur Ernährung des Gehirns da, nicht zum Denken. Dasjenige, was zum Denken ist, ist das, was abfällt. Wenn Sie nach denjenigen Prozessen blicken wollen im Gehirn, die mit dem Denken etwas zu tun haben und sie vergleichen wollen mit dem übrigen Organismus, so müssen Sie nicht mit den Aufbauprozessen oder aufbauenden Wachstumsprozessen die Denkprozesse vergleichen, sondern mit dem, was die Ausscheidungsprozesse sind. Das Gehirn scheidet fortwährend aus und, wie gesagt, die Vernichtungs-, die Zerstörungs-, die Todesprozesse, das sind Begleitprozesse für dasjenige, was Intelligenz ist. Und könnten wir im Gehirn nicht ausscheiden, so könnten wir nicht denken. Würden wir im Gehirn nur aufbauen, so würden wir instinktiv dumpf dahinleben, könnten es
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höchstens bis zu einem ganz dumpfen Träumen bringen. Zum hellen, klaren Denken bringen wir es gerade dadurch, daß das Gehirn absondert, ausscheidet. Und das Denken ist überhaupt nur zur Parallelisierung von Ausscheidungsprozessen. Indem sich im menschlichen Organismus dasjenige herauslöst, was für ihn unbrauchbar ist, kann sich das Denken festsetzen aus geistigen Welten heraus.
Nun, nehmen Sie dieses Denken, das insbesondere seit der Mitte des 15. Jahrhunderts groß geworden ist, dieses Denken, auf das der heutige Mensch so stolz ist, es entsteht dadurch, daß wir unser Gehirn zerstören, abbauen, daß wir Ausscheidungsprozesse im Gehirn bewirken. Nehmen Sie nun an, man wäre ein Trotzkij oder Lenin und ginge nach Rußland — befördert durch Ludendorff im gut versperrten Wagen und begleitet von Dr. Helphand, das war ja einstmals der Zug, der aus der Schweiz durch Mitteleuropa durchging, geleitet von solchen Leuten wie Dr. Helphand, und der lediglich Lenin nach Rußland brachte unter der Protektion von Ludendorff —, nehmen Sie an, man ist solch ein Mensch und glaubt, aus den Prozessen, die die Intelligenzprozesse sind und die die einzigen sind, aus denen sich das naturwissenschaftliche Denken der letzten Jahrhunderte herausgebildet hat, mit diesen Prozessen könne man ausbilden die soziale Ordnung. Was wird das für eine soziale Ordnung? Die Nachbildung dessen, was da drinnen während der Denkprozesse vor sich geht. Glauben Sie nicht, daß wir da drinnen was anderes bilden als da draußen, wenn sie bloß als Denkprozesse angewendet werden. Wollen Sie mit diesen Denkprozessen eine soziale Ordnung bilden, dann ist das ein Zerstörerisches, geradeso wie Denkprozesse in Ihrem Kopf eine Zerstörung bewirken, ganz genau so. Das Denken, auf die Realität angewendet, zerstört. Solche Dinge kann man nur einsehen, wenn man in die tieferen Geheimnisse des Menschenwesens und der ganzen Welt hineinschaut. Deshalb hat es die Menschheit heute notwendig, in diese Dinge hineinzuschauen, wenn sie überhaupt nur irgendein gültiges Urteil über öffentliche Angelegenheiten abgeben soll. Es hilft heute gar nicht, aus den Voraussetzungen der letzten Jahrhunderte über irgendwelche soziale Angelegenheiten zu sprechen, denn das ist alles Wischiwaschi. Um was es sich handelt, das ist, sich zu sagen: Da müssen ganz andere Prozesse im menschlichen Geistesleben Platz greifen, da
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8. März 2005 | Adresse: Geheimpolitik.de |