Okkultismus und Magie Dialog Religion Start/Home

Quelle: D. Rüggeberg: Christentum und Atheismus im Vergleich zu Okkultismus und Magie.

Okkultismus und Magie als Wissenschaft

Wie die vorhergehenden Ausführungen gezeigt haben, besitzt der Okkultismus eine umfassende Lehre von Gott, Mensch und Kosmos. Nach dem Duden bedeutet das lateinische Wort „okkult“ soviel wie verborgen, geheim, heimlich, und unter Okkultismus finden sich die Begriffe Geheimwissenschaft, Erforschung des Übersinnlichen. Damit ist bereits auf den Inhalt dieser Wissenschaft hingewiesen, denn der Okkultist, der Wissenschaftler des Okkultismus, befaßt sich demnach mit der Erforschung jener Bereiche des menschlichen Daseins, deren Kräfte und Eigenschaften dem normalen Wahrnehmungsvermögen des Menschen mehr oder weniger entzogen sind.

          Der Begriff „Geheimwissenschaft“ für den Okkultismus wird in der Allgemeinliteratur in zweifacher Weise benutzt. Einerseits in der obengenannten Bedeutung, und zweitens in der Art, daß behauptet wird, es handele sich um eine Wissenschaft deren Mittel und Methoden vor der Öffentlichkeit geheim gehalten würden. Beide Auffassungen haben ihren Wahrheitsgehalt, wobei die zuletzt genannte zwar insbesondere in der Vergangenheit ihre große Bedeutung hatte, aber von negativen und konservativen Okkultisten in den verschiedenen Logen und Kirchen bis in unsere Gegenwart hinein aufrechterhalten wird. Alle Okkultistenverfolgungen, zu denen auch die sogenannten Hexenverfolgungen gehörten, haben hierin ihre machtpolitischen Ursachen.

          Wie die Naturwissenschaft auch, besteht der Okkultismus aus Lehre und Forschung, also aus Theorie und Praxis. Wie gezeigt, bildet die physische Welt nur einen sehr kleinen Teil des geistig-astralen Universums, woraus zu schließen ist, daß sämtliche Mittel und Methoden der Naturwissenschaft für eine geistige Forschungspraxis unbrauchbar sind. Der Wissenschaftsbegriff von Naturwissenschaft und Geisteswissenschaft kann somit nicht identisch sein.

          Der Okkultismus ist unter anderem darum bemüht, Erkenntnisse zu den Inhalten von religiösen Urkunden zu gewinnen, auf denen die Weltanschauungen der verschiedenen Völker beruhen. Er geht von der Überzeugung aus, daß die Aussagen der Heiligen und Propheten in religiösen Schriften in ihrem Wahrheitsgehalt nachprüfbar sein müssen. Ferner ist er überzeugt, daß die Fähigkeiten der Heiligen und Propheten nicht etwa auf der besonderen Gnade eines Gottes beruhten, sondern durch eine systematische Schulung erworben wurden, wodurch es ihnen möglich war, vom Glauben zum Wissen fortzuschreiten.

          Das erste Ziel des Okkultismus ist somit, die geistig-seelischen Fähigkeiten des Menschen so weit zu entwickeln, bis er in den geistig-astralen Welten forschen und arbeiten kann. Der Okkultist, der diese Fähigkeiten erworben hat, wird Eingeweihter genannt. In diesem Werk verwende ich diesen Begriff nur in diesem Sinne. Der Weg zum Eingeweihten führt durch die Tore der Selbsterkenntnis und Selbstbeherrschung. Die Methodik umfaßt Übungen der Charakterveredelung, sowie der Meditation und Konzentration, um den Schüler zunächst zu einer bestimmten ethischen Reife zu bringen, wie im letzten Kapitel bereits erwähnt. Welche meditativen Bilder den Schülern früher in den Prophetenschulen gegeben wurden, davon zeugen „Die Testamente der 12 Patriarchen, der Söhne Jakobs“. In dieser apokryphen Darstellung werden entsprechend dem Tierkreis oder den Monaten des Jahres bildhafte Belehrungen gegeben, die der Schüler aktiv in sich verwirklichen soll. Auch diese Darstellungen wurden von den Kirchenlehrern aus der Bibel entfernt.

          In den Mysterienschulen wurde der Schüler durch verschiedene Stufen geführt. Damit hängt beispielsweise auch die Tatsache zusammen, daß der Begriff „Israel“ in der Bibel in zweifacher Bedeutung benutzt wird. Einerseits wird er als Name für das Volk Israel benutzt, andererseits steht das Wort als Bezeichnung für eine bestimmte Einweihungsstufe. Darauf wird in 1. Mose 32,29 hingewiesen: „Da sprach er (Gott, bzw. der Einweihende, der Initiator, oder ein Engel der Hierarchie, d. V.): ,Was ist dein Name?' Er sagte: ,Jakob'. Da sprach er: ,Nicht mehr Jakob soll dein Name heißen, sondern Israel; denn du hast mit Gott und mit Menschen gekämpft und hast überwältigt'.“ Die Umschreibung „mit Gott und den Menschen gekämpft“ deutet hin auf jene Kämpfe, denen der Schüler der Magie während seiner praktischen Ausbildung ausgesetzt ist.

          Die universalen Gebote der Bibel stehen natürlich auch in enger Beziehung zum jüdischen Einweihungsweg. Scholem schrieb dazu: „Das Hauptprinzip der Tora und ihr Grund besteht darin, daß der Mensch seine Leidenschaften und Triebe brechen soll und sie unterwerfen, bis er sie unter die Herrschaft der rationalen Seele bringt. Wenn aber in ihm seine guten Eigenschaften ein integraler Teil seiner eigenen Natur geworden sind, so daß er die Gebote der Tora in Freude und aus Liebe zu Gott erfüllt, ohne darum mit seinem bösen Trieb kämpfen zu müssen, weil die Materie in ihm völlig gereinigt ist, so daß es den Anschein hat, als ob das Gute seine Natur war, seitdem er aus dem Mutterleib gekommen ist — solch einer wird ein vollständiger Chassid genannt. Gewiß, der chassidische Zaddik ist der Erbe aller der Bestimmungen, die der Talmud vom Gerechten zu geben weiß, von der einfachsten bis zur überschwänglichsten, und er ist zugleich der Erbe solcher Bestimmungen über den Chassid. Zweifellos ist die Gewalt des Zaddik als eines Gesandten der geistigen Welt und eines Helfers der Menschheit außerordentlich, und die Aussprüche des Baalschem lassen daran keinen Zweifel. Er ist der Mann, der in Gemeinschaft mit Gott lebt, aber seine Macht benutzt, um seine Mitmenschen mit sich nach oben zu ziehen (136).“

          Diese wenigen Sätze zur Charakterisierung des jüdischen Eingeweihten, des Zaddik, zeigen bereits dem Kenner esoterischer Systeme, daß in allen wahren Mysterienschulen nach denselben Methoden verfahren wird. Daß die verschiedenen Kulturen verschiedene Begriffe für denselben Tatbestand verwenden, sollte nicht weiter verwundern. Zwischen Magie und Okkultismus gibt es keinen grundsätzlichen Unterschied, sie stellt lediglich eine höhere Stufe dar, wie beispielsweise die Universität gegenüber dem Gymnasium.

          Zur Magie schreibt Bardon u. a.: „Schon in den ältesten Zeiten galten die Magos als die höchsten Eingeweihten, von denen eigentlich auch das Wort Magie stammt. Die sogenannten Zauberer sind keine Eingeweihten, sondern nur Nachäffer der Mysterien, die zumeist teils die Unkenntnis, teils die Leichtgläubigkeit eines einzelnen wie eines ganzen Volkes ausnützen, um durch Lug und Trug ihre egoistischen Ziele zu erreichen. Der wahre Magier aber verachtet ein solches Vorgehen. In Wirklichkeit ist Magie eine heilige Wissenschaft. Sie ist im wahrsten Sinne des Wortes das Wissen alles Wissens, den sie lehrt die Universalgesetze kennen und gebrauchen. Zwischen Magie und Mystik oder einem anderen Namensbegriff gibt es keinen Unterschied, und dort, wo es um die wahre Einweihung geht, ohne Rücksicht darauf, welchen Titel diese oder jene Weltanschauung hierfür festsetzte, muß auf derselben Basis, nach den gleichen Universalgesetzen vorgegangen werden (137).“

          Wen wundert es angesichts dieser Sätze, daß Magier die ersten waren, die von der Geburt Jesus etwas wußten: „Als aber Jesus zu Bethlehem in Judäa geboren war, in den Tagen des Königs Herodes, siehe, da kamen Magier vom Morgenland nach Jerusalem, die sprachen: Wo ist der König der Juden, der geboren worden ist? Denn wir haben seinen Stern im Morgenland gesehen und sind gekommen, ihm zu huldigen (Mt 2,1).“

          Auch Agrippa von Nettesheim, der den zweiten Teil seiner „Geheimen Philosophie“ bezeichnenderweise dem Erzbischof von Köln und Paderborn, Hermann von Wied, widmete, definiert die Magie in ähnlicher Weise: „Die magische Wissenschaft, der so viele Kräfte zu Gebot stehen, und die eine Fülle der erhabensten Mysterien besitzt, umfaßt die tiefste Betrachtung der verborgensten Dinge, das Wesen, die Macht, die Beschaffenheit, den Stoff, die Kraft und die Kenntnis der ganzen Natur. Die Wissenschaft ist daher die vollkommenste und höchste, sie ist eine erhabene und heilige Philosophie, ja sie ist die absolute Vollendung der edelsten Philosophie (138).“

          Entsprechend der zweiten Karte aus dem Buch der Weisheit, dem Tarot, umfaßt die „Evokations- oder Beschwörungsmagie“ einen großen Teil der gesamten magischen Wissenschaft. Die Techniken der Evokationsmagie ermöglichen dem Magier einen aktiven Kontakt mit den Engeln und Genien der Hierarchie. In seinem Lehrwerk „Die Praxis der magischen Evokation“ hat Bardon nicht nur alle Hilfsmittel und Techniken ausführlich beschrieben, sondern auch die Namen, Siegel und Wirkensbereiche von über fünfhundert Engeln und Genien der Hierarchie dargestellt. Im Altertum wurde die Magie u. a. auch als „Theurgie“ bezeichnet, und es ist geradezu ein Wunder, wenn sich in einem Buch gegen den Okkultismus darüber eine richtige Definition findet, obwohl der Autor noch nicht einmal aktive von passiven magischen Methoden unterscheiden kann: „Theurgie (von griech. Theourgia = göttliche Handlung) wird mit Hilfe von Engeln oder guten Geistern ausgeübt. Sie dient guten Zwecken. Ihr Ziel ist der Aufstieg zum höchsten geistigen Wesen, die Erkenntnis Gottes, die mystische Vereinigung mit ihm und die Teilhabe an seinen Kräften (139).“

          Innerhalb der Magie gibt es verschiedene Reifestufen, deren höchste mit dem Begriff Kabbalah verbunden ist. Es gibt demnach neben der theoretischen auch eine praktische Seite der Kabbalah. Das einzige mir bekannte Werk über die praktische Kabbalah ist „Der Schlüssel zur wahren Kabbalah“ von Franz Bardon, wo es u. a. heißt: „Diese ist im Grunde genommen eine Gotteswissenschaft und behandelt die Wissenschaft des Wortes. Wer sich mit Theurgie befaßt, muß unbedingt eine magische Entwicklung schon hinter sich haben, d. h., daß er zum mindesten die Praktiken meines ersten Werkes ,Der Weg zum wahren Adepten' vollkommen beherrschen muß. — Kabbalistisch sprechen heißt aus Buchstaben Worte bilden, welche den Universalgesetzen gemäß dieser oder jener Idee entsprechen. Die Anwendung der kabbalistischen Sprache muß praktisch geübt werden. Kabbalah ist demnach die Universalsprache, mit welcher alles erschaffen wurde, sie ist die Verkörperung einer oder mehrerer göttlicher Ideen. Durch Kabbalah — also durch die Universalsprache — hat Gott alles erschaffen. Auf Kabbalah weist auch der Evangelist Johannes in der Bibel hin, indem er sagt: ,Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott'. Dadurch bringt Johannes klar zum Ausdruck, daß sich Gott des Wortes bediente, um durch dieses aus sich selbst zu schaffen (140).“

          Auch im Henochbuch wurde auf die Kabbalah hingewiesen: „Henoch! Ich habe dir alles gesagt, und du hast alles auf Erden gesehen, und alles hast du in diese Bücher geschrieben. Ich habe die Erschaffung von all dem ersonnen; ich schuf vom Höchsten bis zum Niedrigsten. Kein Ratgeber war dabei. Ich bin ewig und nicht mit Händen geschaffen. Mein Gedanke ist mein Berater, und mein Wort ist Tat (141).“

          Welchen Einweihungsgrad die Kabbalah innerhalb der Magie darstellt, geht aus den folgenden Worten von Bardon deutlich hervor: „Das Geheimnis um das Wort, verständlicher gesagt, um die Kenntnis des Wortes und um den wahren Gebrauch desselben ist die höchste Einweihung, die es überhaupt gibt. Zu allen Zeiten war derjenige, den man als den Herrn des Wortes bezeichnete, stets der höchste Eingeweihte, der höchste Priester, der wahre Vertreter Gottes (142).“

          Auch zur Geheimhaltung der Kabbalah hat Bardon Stellung genommen: „Seit jeher war es heiligstes Gebot, diese hohe Wissenschaft streng geheim zu halten, um 1. die Autorität zu wahren, 2. die Macht über die Volksmasse nicht zu verlieren und 3., um einen Mißbrauch zu verhüten. Bis heute hat sich diese Tradition erhalten, und wenn auch mein Buch dem Leser vollkommenes Wissen gibt, so kann es ihm eben nur Wissen geben, aber niemals Weisheit. Letztere muß er sich schon durch praktische ehrliche Arbeit erringen. — Nur dem tatsächlich Reifen, also dem Berufenen wird mein Buch die höchste Weisheit aufschließen, so daß zwischen dem Wissenden und dem Weisen ein sehr großer Unterschied besteht und das Gebot des Schweigens trotz Veröffentlichung der höchsten Wahrheiten und Geheimnisse nicht verletzt wird. Dem nur Wissenden wird die Weisheit immer okkult bleiben, nur dem Berufenen wird sie vollends zuteil (143).“

          Auf die Macht der Kabbalah wird in der Bibel und den Apokryphen verschiedentlich hingewiesen: „Ich schaute, siehe da führte jener Sturm aus dem Herzen des Meeres etwas wie einen Menschen hervor; ich schaute, siehe dieser Mensch flog mit den Wolken des Himmels. Und wohin er sein Antlitz wandte und hinblickte, da erbebte alles, was er anschaute; und wohin die Stimme seines Mundes erging, da zerschmolzen alle, die seine Stimme vernahmen, wie Wachs zerfließt, wenn es Feuer spürt. — Als er aber den Ansturm des Heeres, das auf ihn loskam, sah, da erhob er keine Hand, noch führte er ein Schwert oder eine andere Waffe, sondern ich sah nur, wie er von seinem Munde etwas wie einen feurigen Strom ausließ, von seinen Lippen einen flammenden Hauch, und von seiner Zunge ließ er hervorgehen stürmende Funken; alle diese aber vermischten sich ineinander: der feurige Strom, der flammende Hauch und der gewaltige Sturm. Das fiel über das anstürmende Heer, das zum Kampfe bereit war, und entzündete sie alle, so daß im selben Augenblick von dem unzählbaren Heer nichts anderes zu sehen war außer dem Staube der Asche und dem Dunste des Rauchs (144).“

          Aus den Worten von Bardon wird klar, daß ein wahrer Kabbalist niemals als Angreifer auftritt, aber er kann sich einen Selbstschutz aufbauen, an dem sich jeder Feind selbst zerstört. Auch in der „Apokalypse des Johannes“ wird auf die Magie des Wortes, das „zweischneidige, scharfe Schwert“ hingewiesen: „... und inmitten der Leuchter einen gleich einem Menschensohn, bekleidet mit einem bis zu den Füßen reichenden Gewand und an der Brust umgürtet mit einem goldenen Gürtel; sein Haupt aber und die Haare waren weiß wie weiße Wolle, wie Schnee, und seine Augen wie eine Feuerflamme und seine Füße gleich glänzendem Erz, als glühten sie im Ofen, und seine Stimme wie das Rauschen vieler Wasser; und er hatte in seiner rechten Hand sieben Sterne, und aus seinem Mund ging ein zweischneidiges, scharfes Schwert hervor, und sein Angesicht war, wie die Sonne leuchtet in ihrer Kraft.“ In diesem Bild wird darauf hingedeutet, daß der Kabbalist Macht ausübt über die positiven und negativen Wesenheiten, darum das Wort „zweischneidig“, der sieben Planetensphären, der „sieben Sterne“.

          Obwohl die kabbalistische Reife für die meisten Menschen noch in weiter Ferne liegt, sind die Hinweise in den okkulten Lehren und auch in den Apokryphen deutlich genug: „Da spricht Gott der Herr: Adam, warum hast du das getan? Aber ich sage dir: Ihre (der verführenden Engel, d. V.) Freude will ich in Leid verkehren, dein Leid aber in Freude und dich wieder bringen in deine Herrschaft und setzen auf den Thron deines Verführers; er aber soll in diesen Ort geworfen werden, daß er dich sehe sitzen über ihn selbst erhöht. Dann soll er verdammt werden samt denen, die auf ihn hörten; und er wird betrübt sein, wenn er dich auf seinem Throne sitzen sieht (145).“

          Magie und Kabbalah wurden früher ausschließlich in den Mysterienschulen gelehrt. Die Kabbalah, obwohl ägyptischen Ursprungs, war ein wichtiger Teil der jüdischen Mystik, und nach Scholem existierten kabbalistische Schulen in Israel bis in die Gegenwart hinein. Die Aufnahme in diese Mysterienschulen war mit ganz bestimmten Bedingungen verknüpft: „Die Konsequenz von all dem war die Aufstellung von Aufnahmebedingungen in den Kreis der Merkaba-Mystiker. Schon in den talmudischen Quellen wird, freilich in sehr allgemeiner Form, die Würdigkeit zur Einweihung in die Grundsätze der Theosophie von sittlichen und charakterlichen Eigenschaften abhängig gemacht. ... Die solcherweise würdig Befundenen durften sich um den ,Abstieg' zur Merkaba bemühen, der sie in einer gefahrenreichen Wanderung durch die sieben himmlischen Paläste, und vorher wohl durch die sieben Himmelssphären selber, vor Gottes Thron hinführte. Diese Wanderung durch die Himmel, ihre Vorbereitung, ihre Technik und die Schilderung des dabei Erschauten sind es, die die Schriften der Merkaba-Mystik erfüllen (146).“

          Leider sprach auch Scholem von den wahren Methoden der Kabbalah nur in Andeutungen, die nur dem Wissenden des Okkultismus durchsichtig sind, wie die folgenden Satze zeigen: „Aber das braucht uns nicht darüber zu täuschen, daß das, was er gibt, letzten Endes nichts anderes ist als eine mit jüdischen Mitteln und Begriffen arbeitende Form jener alten spirituellen Technik, deren klassische Ausbildung die indische Yoga-Disziplin darstellt. ... Kurz gesagt, Abulafia ist vor allem anderen, was man einen eminent praktischen Kabbalisten nennen könnte. Freilich bedeutet ,praktische Kabbala' im Wortgebrauch der Kabbalisten etwas ganz anderes. Es bedeutet einfach Magie, die mit erlaubten Mitteln ausgeübt wird, im Unterschied zu jener schwarzen Magie, die sich der Kräfte der Dämonen und finsteren Welten bedient. ... Abulafias Wissenschaft der Kombinatorik gilt späteren Generationen nicht nur als Schlüssel zu den Geheimnissen der Gottheit, sondern zugleich auch als Schlüssel zu den magischen Kräften (147).“

          In den östlichen Mysterienschulen ist der Raja-Yoga der Magie und der Tantrismus der Kabbalah analog. Eine vergleichende Studie zwischen den Lehren des westlichen und östlichen Okkultismus bringe ich vielleicht später einmal heraus.

          G. Scholem ist der Ansicht, daß die Kabbalah bereits am Ende ihres Weges angekommen ist, wohingegen ich behaupte, daß die Kabbalah gerade erst am Anfang ihres Aufstieges ist. Auch die konservative Einstellung der hebräischen Eingeweihten kommt in der folgenden Bemerkung gut zum Ausdruck: „Die Kabbala wird hier am Ende ihres Weges wieder, was sie am Anfang war: eine wirkliche Esoterik, eine Art Mysterienreligion, die das profane Volk um Armeslänge von sich fernzuhalten sucht (148).“

          Diese geistige Haltung zeigt noch nichts von der des großen Kabbalisten Christus, der da sagte: „Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken.“

          Bei geistigen Wegen zur Vollkommenheit gibt es keinen Unterschied zwischen Mystik, Magie, Theosophie oder Yoga, was u. a. auch von Scholem angedeutet wird: „Zwei Punkte möchte ich zum Schluß noch hervorheben. Der eine betrifft das enge Ineinander von Mystik und Magie in der chassidischen Bewegung. Die Persönlichkeit des Rabbi Israel Baalschem scheint geradezu erschaffen worden zu sein, um den neueren Theoretikern der Mystik Schwierigkeiten zu machen. Steht doch hier ein Mystiker vor uns, dessen authentische Aussprüche keinerlei Zweifel an dem mystischen Charakter seiner Erfahrung zulassen und dessen Schüler und SchülersSchüler ihm auf dem mystischen Pfade gefolgt sind. Und dennoch ist er zugleich ein wirklicher Baal-schem, das heißt ein Meister der praktischen Kabbala, der Magie (149).“

          Wie exakt das zehnstufige Entwicklungssystem von Franz Bardon mit der Bibel übereinstimmt, dafür möchte ich noch ein Beispiel anführen. Der Schüler der Magie lernt bereits in der ersten Stufe, daß es notwendig ist, zu einer vollkommenen Beherrschung des Gedankenlebens zu kommen, weil im Denken die Ursachen für Gut und Böse zu suchen sind. Darauf wird von Christus mit prägnanten Worten hingewiesen: „Und er spricht zu ihnen: Seid auch ihr so unverständig? Begreift ihr nicht, daß alles, was von außen in den Menschen eingeht, ihn nicht verunreinigen kann? Denn von innen aus dem Herzen der Menschen kommen die bösen Gedanken hervor: Unzucht, Dieberei, Mord, Ehebruch, Habsucht, Bosheit, Arglist, Ausschweifung, Neid, Lästerung, Hochmut, Torheit; alle diese bösen Dinge kommen von innen heraus und verunreinigen den Menschen (Mk 7,18).“

          Ein besonderes Problem stellt der Begriff Glaube in der Bibel dar. Daß es sich bei dem Glauben der Bibel nicht um ein simples „ für-wahr-halten“ einer Sache oder eines Dinges handelt, dafür sind die folgenden Worte des Christus Beweis genug: „Wahrlich, ich sage euch: Wer zu diesem Berg sagen wird: Hebe dich empor und wirf dich ins Meer! und nicht zweifeln wird in seinem Herzen, sondern glauben, daß geschieht, was er sagt, dem wird es werden (Mk 11,23).“

          Für den Okkultisten ist völlig klar, daß diese Sätze nur für den fortgeschrittenen Magier und Kabbalisten eine reale Bedeutung haben können. Nur jene Ignoranten, die von den Möglichkeiten der Kabbalah keine Ahnung haben, werden die Worte des Christus als hohle Phrase bezeichnen. Solche Kräfte sind nur durch die Verwirklichung der göttlichen Grundeigenschaften zu erreichen, worauf der Christus auch hingewiesen hat: „Ihr nun sollt vollkommen sein, wie euer himmlischer Vater vollkommen ist (Mt 5,48).“

          Für den Schüler der Magie sind die Lehren der Eingeweihten natürlich zunächst nur Arbeitshypothesen. Ob diese Lehren auf Wahrheit beruhen, das hat er durch die praktische Anwendung der okkulten Methoden selbst herauszufinden. Wer aber die Methoden des praktischen Okkultismus nicht auf sich anwenden will, der muß auf die dadurch möglichen Beweise eben verzichten. Nach Bardon ist jedenfalls ganz klar, daß eine Verbindung mit Gott nur durch eine magische Entwicklung möglich ist: „Einem Magier, der auch schon in der Kabbalah einigermaßen bewandert ist, wird nun vollends klar, warum es in den meisten kabbalistischen Einweihungen heißt, daß die Verbindung mit der Gottheit auf Tipheret zustande kommt, worunter laut dem kabbalistischen Lebensbaum die Sonnensphäre zu verstehen ist, in der der Magier die Göttliche Vereinigung erreichen kann. Denn, wie es im kabbalistischen Lebensbaum buchstäblich heißt, muß der Magier die Hälfte des Weges zu Gott zurückgelegt haben, d. h., daß er die Sphären bis einschließlich der Sonnensphäre durchwandert hat und beherrscht, worauf ihm in der zweiten Weghälfte Gott entgegengeht, so daß es zur Göttlichen Vereinigung kommt, bei der es sich nicht um die Verbindung mit einem personifizierten Gotte handelt, sondern Wissen und Weisheit, Macht und Kraft werden zu EINEM vereinigt (150).“

          Diese Sätze umreißen klar und deutlich die Ziele der heiligen Magie, und weisen auch darauf hin, daß den Menschen noch einige schwierigere Arbeiten bevorstehen, bevor sie mit Gott in engeren Kontakt treten können. All jene Schriften, die behaupten, daß der Kontakt mit Gott leicht und einfach herzustellen sei, beruhen einfach auf Irrtum oder Betrug. Eine praktische okkulte oder magische Einweihung zu erreichen, ist keinesfalls leichter als Olympiasieger im Zehnkampf zu werden, das weiß ein jeder, der sich auf dem wahren Pfad befindet. Daß die Schwierigkeiten dieses magischen Pfades hauptsächlich mit Ethik und Moral zusammenhängen, ist wohl bis hierher deutlich genug geworden.

          Während einer okkulten Entwicklung wird der Schüler dieser Wissenschaft verschiedenen Reifeprüfungen unterworfen, zu denen insbesondere die „Prüfung auf Herz und Nieren“ gehört. Um dies zu verstehen, müssen wieder die Analogiegesetze berücksichtigt werden, von denen schon gesprochen wurde. In der okkulten Anatomie wird nämlich gelehrt, daß bestimmte Organe des Menschen in Analogie zu bestimmten Planetensphären oder Himmeln stehen, z. B., Lunge zum Merkur, Nieren zur Venus, Herz zur Sonne, Galle zum Mars, Leber zum Jupiter, usw. Die Prüfung auf Herz und Nieren wird in der Bibel mehrfach erwähnt: „Ich der HERR (JHVH), bin es, der das Herz erforscht und die Nieren prüft, und zwar um einem jeden zu geben nach seinen Wegen, nach der Frucht seiner Taten (Jer. 17,10). ... Und ihre Kinder werde ich mit dem Pest-Tod töten, und alle Gemeinden werden erkennen, daß ich es bin, der Nieren und Herzen erforscht, und ich werde euch einem jeden nach euren Werken geben (Offb. 2,23).“

          Unmißverständlich sagt die Bibel, daß die Prüfung oder das Gericht den Menschen nach seinen Taten beurteilen wird, entsprechend den gnadenlosen Gesetzen des Karma. Dem physischen Herzen entsprechen in den geistig-astralen Welten bestimmte Eigenschaften, wie Mut, Ausdauer und magisches Gleichgewicht, die Überwindung von Angst, Feigheit, Wankelmütigkeit und Inkonsequenz. Mit dieser Entwicklung hängt auch die zukünftige Entwicklung des physischen Herzens zusammen, welches in Zukunft dem bewußten Willen des Menschen unterliegen wird, wozu es ja auch durch seine Muskelstruktur veranlagt ist. Darauf hatte Rudolf Steiner in seinen Vorträgen bereits hingewiesen.

          Die Venussphäre ist nach Bardon allen Aspekten der Liebe zugeordnet. Die Prüfung der Nieren hängt demnach mit der Entwicklung der Liebe zusammen, also der Überwindung von Intoleranz, Undankbarkeit, Lieblosigkeit, Grausamkeit, Brutalität, Haß und Sadismus. Ferner ist damit verbunden die vollkommene Macht über die Fortpflanzungskräfte, was Bardon auf die kurze Formel gebracht hat: „Liebe ist das Gesetz, Liebe unter Willen“. Die Prüfungen auf Herz und Nieren gehören zu den wichtigsten während einer magischen Entwicklung.

          In der populären Literatur wird oft von schwarzer und weißer Magie gesprochen. Durch diese Begriffe wird jedoch nicht auf die Wissenschaft der Magie an sich hingewiesen, sondern auf ihre Anwender, die magischen Wissenschaftler. Jede Wissenschaft als solche ist nur Werkzeug des Menschen und deshalb immer neutral. Erst die Anwendung einer Wissenschaft durch den Menschen kann mit den Begriffen Gut oder Böse verbunden werden. Als schwarze Magie wird demnach die Anwendung der Magie durch den Schwarzmagier oder Zauberer zu bösen oder negativen Zwecken bezeichnet, während die Anwendung zu guten oder positiven Zwecken durch den Magier weiße Magie genannt wird. Wahre Magie und Zauberei verhalten sich also zueinander wie Licht und Finsternis, was jeder Schüler der Hermetischen Philosophie in der ersten Klasse lernt. Wollte man die Begriffe weiße und schwarze Magie auf die Naturwissenschaft übertragen, dann müßte man beispielsweise den Bau einer Kläranlage als „weiße Naturwissenschaft“ und den Abwurf einer Atombombe als „schwarze Naturwissenschaft“ bezeichnen. Einen anderen Unterschied zwischen weißer und schwarzer Magie gibt es nicht.

          Diese Begriffsbestimmung ist sehr wichtig und spielt eine große Rolle bei der Beurteilung von Gut und Böse, wofür ich nachfolgend noch einige markante Beispiele liefern werde.

          Wie sieht es nun mit den vielzitierten Gefahren des praktischen Okkultismus aus? Diese Gefahren sind nur für denjenigen vorhanden, der die Gesetze und Regeln dieser Wissenschaft nicht beachten will. Jedem halbwegs gebildeten Menschen ist klar, daß man beim Umgang mit Physik, Chemie und Technik bestimmte Regeln beachten muß, wenn man sich nicht an Gesundheit und Leben gefährden will. All jene, die glauben, daß solche Vorsichtsmaßregeln in der okkulten Wissenschaft nicht notwendig seien, befinden sich in einem großen Irrtum. Während man es in der Naturwissenschaft nämlich nur mit Naturgesetzen zu tun hat, wird der Okkultist mit kosmischen Gesetzen konfrontiert. Leider werden die wahren Voraussetzungen für eine praktische okkulte Arbeit von vielen gewissenlosen Autoren verschwiegen, um dem Leser einen schnellen Erfolg zu suggerieren. Daß solche Erfolge meistens nicht eintreten, ist für jeden Praktiker sonnenklar. Treten dann vielleicht sogar gesundheitliche Störungen auf, so sind diese jedenfalls auf unsachgemäßes Vorgehen zurückzuführen. Solange an den deutschen Schulen und Universitäten noch nicht einmal die elementarsten Gesetze des Okkultismus gelehrt werden, sollte man sich über auftretende Schäden nicht beschweren.

          Eine besondere Gefahr im Rahmen der Magie bilden die sogenannten Pakte, über deren Vor- und Nachteile Franz Bardon ausreichend berichtet hat. Unter einem magischen Pakt ist nichts anderes zu verstehen, als eine Art Vertrag zwischen einem Menschen und einem positiven oder negativen Wesen der Hierarchie. Es gibt demnach positive und negative Pakte. Der katholische Theologe Von Petersdorff schreibt dazu u. a.: „Sehr scharf hat sich die hl. Kirche jeder Zeit und mit Recht speziell gegen den Teufelspakt ausgesprochen. Auch der hl. Thomas spricht mehrmals von der stillschweigenden und ausdrücklichen Anrufung der Dämonen, vom Teufelspakt und von dem ,Pakt mit den Dämonen'. Andrerseits aber betonen die Salmanticenser, was sonst nicht oft geschieht, weil es an sich selbstverständlich ist, nämlich, daß ein Teufelspakt durch eine aufrichtige Beichte voll und ganz gelöst wird, auch ohne Rückerstattung der etwa vorhandenen, mit Blut unterzeichneten Handschrift (Chyrographus). Leider ist gegenwärtig das wahre katholische Bild des Teufelspaktes in der allgemeinen Vorstellung getrübt und entstellt durch die heidnisch-humanistische Verzerrung in Goethes Faust, der nun einmal dank der freimaurerischen Propaganda die Köpfe auch der Katholiken beherrscht und verwirrt. Ohne Widerruf des Teufelspaktes keine Erlösung (151)!“

          Vielleicht glaubt der Verfasser tatsächlich, daß man durch Beichte und Widerruf einen Pakt auflösen kann. Dies ist jedoch nichts als christlicher Aberglaube, und sofern er gegen besseres Wissen verbreitet wird, ein Akt der Volksverdummung. Die Wirklichkeit sieht anders aus. Durch eine Beichte kann ein Priester bekanntermaßen noch nicht einmal einen normalen Kaufvertrag auflösen, ganz zu schweigen von einem Pakt, denn ein Pakt bindet eben weit mehr als jeder Kaufvertrag und kann vor Erfüllung aller Bedingungen nicht gelöst werden, worauf Bardon deutlich hingewiesen hat: „Ein Pakt kann weder vom Zauberer noch von dem Wesen gebrochen werden und ist unbedingt einzuhalten (152).“ Eine besondere Gefahr für den Normalmenschen bilden noch die sogenannten Gruppenpakte durch Logen und Orden, worauf ich in meinem Buch „Theosophie und Anthroposophie im Licht der Hermetik“ ausreichend hingewiesen habe.

          Das Vorhandensein der praktischen Systeme in Mystik und Magie wird im Allgemeinen von der Kirche verschwiegen oder verleugnet. So ist z. B. im Katholischen Erwachsenenkatechismus im Kapitel „Wege der Gotteserkenntnis in der Menschheitsgeschichte“ lediglich von philosophischen Denksystemen die Rede. Es gibt weder einen Hinweis auf die Exerzitien der Jesuiten, noch einen auf die Praxis von Mystik, Yoga oder Magie — könnte doch dadurch der eine oder andere der Gläubigen aus seinem geistigen Tiefschlaf erwachen. Auch die folgenden Sätze bleiben ohne Angabe exakter Methoden nur hohle Phrasen: „Was heißt also Gott kennen und erkennen? Offensichtlich mehr als ein distanziertes Zur-Kenntnis-Nehmen, daß Gott existiert. Die Gotteserkenntnis geschieht deshalb nicht nur mit dem Verstand, sondern mit dem Herzen, d. h. unter dem Einsatz unserer ganzen Person. Gotteserkenntnis äußert sich deshalb nicht nur im Denken, sondern auch im Danken, Loben und Preisen. Man muß die Wahrheit tun, um sie wirklich zu erkennen (153).“

          Dem letzten Satz kann ich aus okkulter Sicht nur zustimmen, denn er beinhaltet genau das, woran es in der christlichen Kirche noch sehr mangelt. Um Gott zu erkennen, muß der Mensch ihm entgegengehen, und zwar durch aktive Verwirklichung göttlicher Eigenschaften und Kräfte, wovon man in der christlichen Lehre leider im Laufe der Jahrhunderte immer mehr abgekommen ist. Im Gegenteil, man versucht nach wie vor mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln die naiven Gläubigen zu weltanschaulichen Dummköpfen zu erziehen. Dafür ein weiteres Beispiel: „Satan konnten diese Veränderungen nicht verborgen bleiben, er nahm sie als Zulassung Gottes zur weiteren Versuchung des in der Gnade nicht bestehenden Menschen und ging nun zum Hauptangriff über, indem er ,zum Weibe sprach: Keineswegs werdet ihr sterben. Denn Gott weiß, daß, welchen Tages ihr davon esset, eure Augen sich auftun und ihr wie Götter sein werdet, Gutes und Böses erkennend' (Gen. 3,4-5). Mit dieser verführerischen Verheißung wurde Satan nach dem Worte des Heilandes zum ,Vater der Lüge' (Joh. 8,44). Denn er versprach den Menschen in Zweideutigkeit etwas, was ihnen ihrer Natur nach gar nicht gegeben werden konnte: ,eine gottähnliche Erkenntnis des Guten und Bösen; d. h. die Fähigkeit, selbstherrlich bestimmen zu können, was zu tun gut oder schlecht sei, oder auch vorausschauen zu können, was die Zukunft Gutes oder Schlechtes bringen könnte; um so Gott darin ähnlich zu werden, daß sie aus eigner Kraft zur Seligkeit gelangen könnten', was ja auch Satan selbst angestrebt hatte — wie der hl. Thomas ausführt (154).“

          Der Gott der Bibel ist allerdings ganz anderer Meinung als der Autor, wie sich leicht durch 1. Mose 3,22 nachweisen läßt: „Und Gott, der HERR (JHVH), sprach: Siehe, der Mensch ist geworden wie einer von uns, zu erkennen Gutes und Böses.“ Diese Worte zusammen mit jenen Sätzen der Genesis, nach denen Gott den Menschen nach seinem Ebenbild schuf, zeigen eben einwandfrei, daß der Mensch gerade durch den sogenannten „Sündenfall“ zu einem vollständigen Ebenbild Gottes geworden ist, wenn auch nur nach seiner Grundsubstanz. Der „Sündenfall“ der Bibel wird meistens völlig einseitig interpretiert, denn er war hauptsächlich ein „Fall in die Freiheit“, denn ohne die Versuchung durch die negativen Wesen und Kräfte würde menschliche Freiheit nicht existieren. Jedenfalls müssen die der göttlichen Grundsubstanz entsprechenden Eigenschaften oder Qualitäten von den Menschen im Laufe ihrer Entwicklung durch eigene praktische Arbeit errungen werden, sofern er sie für erstrebenswert hält. Alle wahren Aussagen der Bibel sind sich darin einig, daß der Mensch nur und ausschließlich durch eigene Anstrengungen zur sogenannten „ewigen Seligkeit“, und damit auch zur Befreiung von Reinkarnation und Karma, kommen kann.

          In dem zuletzt zitierten Bibelsatz ist ganz klar ausgedrückt, daß der Mensch zu einem Erkennenden geworden ist, was offensichtlich heißt, daß er insbesondere durch diese Fähigkeit zum vollständigen Ebenbild Gottes geworden ist. Vom Glauben ist jedenfalls nicht die Rede!

          Obwohl sich auch der folgende Abschnitt im kirchlichen Sinne mißdeuten läßt, möchte ich ihn als bemerkenswertes Beweisstück für die Richtigkeit der okkulten Weltanschauung anführen: „Er war es, der Messias, der mir im Paradiese sagte: Du hast von der Frucht genommen, die den Tod in sich barg. Und er fügte bei: Adam, Adam! Habe keine Furcht! Du wolltest Gott sein; ich mache dich zu Gott, allerdings nicht jetzt, sondern erst nach Verlauf einer großen &hl von Jahren (155).“

          Mit der Magie hat sich die christliche Kirche seit über tausendfünfhundert Jahren befaßt, wovon die permanenten Verfolgungen durch die Jahrhunderte Zeugnis ablegen. Während ich mich mit den großen politischen Schachzügen der Kirche im Kapitel über Machtpolitik befassen werde, möchte ich hier schon mal dokumentieren, in welcher Form christliche Theologen, Doktoren und Professoren ihren Gläubigen die Magie servieren. Da sich fast alle Aussagen über Okkultismus und Magie auf demselben primitiven Niveau bewegen, kann ich von einer großen Dokumentation absehen und mich auf einige Urteile aus dem Gesamtspektrum beschränken. Bei den nun folgenden Zitaten möge der Leser bitte beachten, daß sie ein Ergebnis von fast zweitausend Jahren christlicher Bibelforschung und Philosophie sind und unter der Aufsicht der höchsten Kirchenkreise verfaßt wurden:

          „Die Weiße Magie hat den gleichen Charakter wie die Schwarze Magie, nur daß sie unter religiösem Gewand erscheint, eine Tatsache, die viele irreführt. Tatsächlich zeigt sich auch in der Seelsorge, daß die psychischen Auswirkungen der Schwarzen und Weißen Magie die gleichen sind. — Magie bedeutet immer Gliedschaft in der Civitas Diaboli (Reich des Teufels). Die Gliedschaft im Reich der Finsternis kann aber nie mit der Gliedschaft am Leibe Jesu Christi vereinbart werden. ... Zunächst muß ich noch einmal der Meinung entgegentreten, als sei Schwarze Magie vom Teufel und Weiße Magie von Gott. Die Magier, ob ,schwarz' oder ,weiß', sind Marionetten Satans. ... Schwarze und Weiße Magie unterscheiden sich voneinander nur dadurch, daß sich die Weiße Magie religiös tarnt und darum doppelt gefährlich ist. ... Wer magisch experimentiert, rebelliert gegen Gott, will sein Leben mit satanischen Mitteln absichern, verfällt aber dabei der Dämonie. ... Okkultisten aller Schattierungen widersetzen sich dem Evangelium. ... Magie ist der seit Tausenden von Jahren unternommene Versuch des Menschen, sich selbst zu erhöhen und jenen Platz einzunehmen, der Gott vorbehalten ist. ... Das Gegenteil der weißen Magie ist die schwarze Magie. Bei der weißen Magie handelt es sich — vom Wort Gottes her gesehen — um ,unsaubere Methoden und Praktiken, die mit einem frommen Anstrich getarnt als scheinbar sauber und lauter angepriesen werden'. ... Mit einem unschuldigen Lächeln bietet er (der Satan) seine Drogen an. Er tut es durch Menschen, die okkulte Praktiken ausüben und anbieten. Es sind die Agenten des Satans in dieser Welt. Diese Leute sind gefährlicher als alle Rauschgifthändler zusammen. Die Drogenszene der Hölle trägt den Namen Okkultismus. ... Die weiße Magie hingegen sieht auf den ersten Blick freundlicher und menschlicher aus, ist aber genauso dämonisch wie die schwarze Magie (156).“

          Die Autoren könnten wahrlich wie der Mephisto im „Faust“ ausrufen: „Da steh' ich schon, des Chaos vielgeliebter Sohn.“

          In diesem Chor des Irrtums und der Verleumdung soll der katholische „Fachmann“ Von Petersdorff nicht fehlen: „Die natürliche Magie wird auch ,weiße', und die abergläubische oder dämonische ,schwarze' Magie genannt. Doch besteht für die weiße Magie stets die Gefahr, in die schwarze überzugehen: sie ist wohl immer mehr-weniger ,schwarz-weiß' gezeichnet, d. h. dämonisch mit Wahrheitskern, hinter dem sich die Dämonen tarnen. ... Die Kirchenväter betonen übereinstimmend den dämonischen Charakter von Magie und Zauberei. ... Eine letzte, bemerkenswerte Zauberkunst ist in der Kabbala enthalten ...., und die kabbalistische Magie ist also wiederum nichts anderes als eine dämonische Zauberkunst, ... Man hat seit Pica dell Mirandola öfter auch auf katholischer Seite versucht, die Kabbala als ,weiße Magie' darzustellen, so in neuerer Zeit noch Eliphas Levi, hinter dem sich ein französischer Abbe Alphons Louis Constant verbirgt. Aber wenn dieser merkwürdige katholische Priester, der zugleich Katholik und Kabbalist sein möchte, dabei jedoch u. a. die Existenz eines persönlichen Teufels leugnet, auch noch so schöne Worte über die Unterscheidung zwischen weißer und schwarzer Magie macht, so kennzeichnet er doch die Kabbala nur zu deutlich als schwärzeste Magie, indem er von ihr erhofft, daß durch sie ,das Versprechen der symbolischen Schlange in Erfüllung gehen wird: Ihr werdet sein wie Gott, Gut und Böse erkennend'. Hiermit ist noch einmal unverhüllt die gotteslästerliche, satanische Gesinnung ausgesprochen, die alle Schwarzmagier zum mindesten insgeheim beseelt, und die sie als ,Kinder des Teufels' kennzeichnet. — Zur Magie gehören die Scheinwunder des Antichrist und seines Gehilfen, die alle Arten der Zauberkünste umfassen werden (157).“

          Man beachte die Verhöhnung des menschlichen Verstandes! Die Fähigkeit der Unterscheidung zwischen Gut und Böse, nach der Bibel eine der höchsten dem Menschen von Gott verliehenen Eigenschaften, wird als dämonische schwarze Magie bezeichnet! Genau diese Gesinnung ist es, die dem Teufel Freude macht, wie Goethe durch den Mund seines Mephisto im „Faust“ deutlich gemacht hat:


Verachte nur Vernunft und Wissenschaft,

Des Menschen allerhöchste Kraft,

Laß nur in Blend- und Zauberwerken

Dich von dem Lügengeist bestärken,

So hab ich dich schon unbedingt —

Und hält er sich auch nicht dem Teufel übergeben,

Er müßte doch zugrunde gehen!


          Wenn aber die Kabbalah nach Von Petersdorff eine so schwarze, dämonische Magie ist, dann muß ich mich darüber wundern, daß der Vatikan davon anscheinend eine hervorragende Sammlung besitzt, wie sich den Quellenangaben von Gershom Scholem entnehmen läßt. Jedenfalls waren das die Worte von studierten christlichen Theologen, Doktoren und Professoren! Diesen „Gelehrten“, die offensichtlich noch nicht einmal schwarz von weiß unterscheiden können, ist die Erziehung von Menschen anvertraut! Es ist wirklich kein Wunder, daß Mitteleuropa seinem Untergang entgegengeht.

          An anderer Stelle heißt es: „Yoga endet nicht nur in der Selbsterlösung und im Atheismus, sondern im Dämonenkult. ... Diese Biorhythmen gehen auf Rudolf Steiner zurück. Er baute ja Theosophie, Spiritismus und Magie in sein geisteswissenschaftliches System ein. ... Steiner leugnete das Wunder der Schöpfung (158).“

          Yoga hat weder etwas mit Atheismus noch mit Dämonenkult zu tun, sondern ist in seiner höchsten Form mit der heiligen Magie identisch, wie ich sie in diesem Werk skizziert habe. Es ist eine platte Lüge, daß Steiner Biorhythmen und Spiritismus in seine Lehren einbaute, und von Magie hatte er wenig Ahnung, wie ich in meinem Buch „Theosophie und Anthroposophie im Licht der Hermetik“ gezeigt habe. Außerdem leugnete Steiner keineswegs das Wunder der Schöpfung, sondern fügte in Anlehnung an die Lehren von Frau Blavatsky lediglich die Entwicklungslehre des Kosmos nach der Wissenschaft des Okkultismus hinzu, von der sich ja sogar Teile in der Bibel finden, wie ich vorne dargelegt habe. Mit den zitierten Falschmeldungen will die Kirche nur ihre Gläubigen in die Irre führen und vom Studium der okkulten Geisteswissenschaften fernhalten. Ja, einige christlichen Autoren scheinen bezüglich der Verbreitung von Irrlehren über die Magie geradezu im Wettstreit zu liegen. So heißt es über das magische Weltbild z. B.: „Die geläufigen Unterscheidungen, etwa von Geist und Materie, Gedanken und chemischen und physikalischen Vorgängen im Menschen, Gott und Mensch, Schöpfer und Welt usw. fallen hier weg (159).“ Wieviel Wahrheitsgehalt in solchen Sätzen liegt, kann der Leser wohl inzwischen selbst beurteilen.

          Die größte Menge von Intoleranz und Haß aber hat die christliche Kirche seit jeher gegen die Selbstvervollkommnung und Selbstvergöttlichung des Menschen, somit gegen eine praktische Verwirklichung der Ethik der Bibel, geschleudert. Der Grund dafür ist völlig klar, denn für den Menschen, der den Weg der Selbsterkenntnis beschreitet, entfällt jede Vermittlung durch irgendwelche Priester, Gurus, Bischöfe oder Päpste. Er wird völlig frei von jeder Autorität, im Denken, Fühlen und Handeln. Eine solche Freiheit macht demnach das ganze Heer der Priester überflüssig, deswegen die unbeherrschte Wut: „Wo Gott in Jesus Christus nicht im Glauben angenommen wird, da ist Platz für Geister, Götter und Dämonen, für Satan und den brutalsten aller Ersatzgatter: den sich selbst vergottenden Menschen (160).“

          Soweit ich den Christus kenne, legt er auf Gläubige überhaupt keinen Wert, sondern nur auf diejenigen, die zu unterscheiden wissen zwischen Gut und Böse und ihr Leben nach den Geboten der universalen Ethik einrichten. Wer hat sich denn durch die Jahrhunderte am allermeisten als Stellvertreter Gottes aufgespielt? Und wo hier die brutalsten und grausamsten Menschen zu finden sind, davon wird noch zu reden sein.

          Außerdem scheint mir der Haß gegen die Selbstvervollkommnung des Menschen inspiriert zu sein von den Entwicklungstheorien eines gewissen Herrn Darwin, wonach der Mensch vom Affen abstamme. Mit der Bibel läßt sich diese Theorie jedenfalls nicht vereinbaren, wie ich gezeigt habe. Nach den Lehren des Okkultismus stammt der Mensch nicht vom Affen ab, sondern gerade umgekehrt, der Affe vom Menschen. Der Affe ist demnach als degenerierter Mensch anzusehen. Über den „Weg des Verderbens“ werden die Anhänger der Affentheorie Gelegenheit haben, zu ihren Ahnen zurückzukehren, nur werden sie dann keine lustigen und friedvollen Affen mehr sein, sondern Abbilder der Bösartigkeit ihrer brutalen Charaktere.

          In welch ungeheurem Maße das ständige Geschwätz der Kirchenpriester vom Glauben die Menschen irreführt, davon kündet insbesondere die Offenbarung des Johannes. Dort heißt es u. a.: „Wer ein Ohr hat, höre, was der Geist den Gemeinden sagt! Wer überwindet, dem werde ich zu essen geben von dem Baum des Lebens, welcher in dem Paradies Gottes ist. ... Wer überwindet, wird keinen Schaden erleiden von dem zweiten Tod. ... Und wer überwindet und meine Werke bis ans Ende bewahrt, dem werde ich Macht über die Nationen geben; und er wird sie hüten mit eisernem Stab, wie Töpfergefäße zerschmettert werden, wie auch ich von meinem Vater empfangen habe; und ich werde ihm den Morgenstern geben.“

          Vom Glauben ist da nirgendwo die Rede, sondern von Überwindung, nämlich von Selbstbeherrschung und Selbsterkenntnis. Gerade das letzte Zitat kündet davon, daß die Macht nur dem zufällt, der vorher den Weg der Selbstüberwindung oder Selbstbeherrschung gegangen ist.

          Weiter steht dort geschrieben: „Dies sagt der, der die sieben Geister Gottes und die sieben Sterne hat: Wer überwindet, der wird so mit weißen Kleidern bekleidet werden, und ich werde seinen Namen aus dem Buch des Lebens nicht auslöschen und seinen Namen bekennen vor meinem Vater und vor seinen Engeln. — Wer überwindet, dem werde ich geben, mit mir auf meinem Thron zu sitzen, wie auch ich überwunden und mich mit meinem Vater auf seinen Thron gesetzt habe. Wer ein Ohr hat, höre, was der Geist den Gemeinden sagt!“

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